Germanisches Altheidentum

Der Begriff "Heide" wurde in den verschiedenen Jahrhunderten ganz unterschiedlich verwendet, im Mittelalter verstand man darunter z. B. auch Moslems, in Martin Luthers Bibel steht das Wort für alle Nichtchristen und Nichtjuden, heute werden oft völlig religionslose Menschen "Heiden" genannt. Aber schon im 4. Jahrhundert benutzten die gerade christianisierten Goten die Bezeichnung "heidano" für ihre noch an die Naturgötter glaubenden Stammesangehörigen.

Wir verwenden den Begriff "Heidentum" für unsere Naturreligion, die die Verehrung mehrerer Gottheiten kennt und deren religiöse Feiern in der freien Natur, auf der "Heide" begangen werden. "Heide" bedeutet nämlich "Waldland" und findet sich z. B. noch in Zusammensetzungen wie Lüneburger Heide, Letzlinger Heide, Dübener Heide usw. Bei unserer Naturreligion handelt es sich um eine uralte, natürlich gewachsene Glaubensform, nicht um eine künstlich gestiftete Glaubenslehre, und diese Glaubensform beschränkt sich nicht auf einzelne Weihehandlungen, sondern bezieht das gesamte Dasein des Menschen, auch die Kultur, mit ein.

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Ursprung

Obwohl das Heidentum durch die Ausbreitung des Christentums immer mehr zurückgedrängt wurde, haben sich bis in unsere Tage besonders auf dem Lande noch viele heidnische Bräuche und Feste erhalten. Vielerorts werden z. B. noch Maibäume feierlich aufgerichtet oder Osterfeuer entzündet; auch einen Tannenbaum stellen sich viele Menschen zu Weihnachten in die Stube. Welcher Sinn aber hinter diesen uralten Bräuchen steht, ist den meisten Menschen unbekannt. Um ihn zu entschlüsseln, haben wir die alten schriftlichen Überlieferungen zu Hilfe genommen. Auf Island wurden vor nicht ganz 1000 Jahren Götterlieder und Heldenlieder unserer heidnischen Vorfahren aufgeschrieben. Diese Liedsammlung nennt man Edda ("Urgroßmutter"). In der Edda, die in eine jüngere und ältere Edda unterteilt wird, sind neben den Göttersagen auch Lebensweisheiten und Zaubersprüche enthalten. Weitere Quellen zum Heidentum sind die Berichte von Geschichtsschreibern (z. B. Tacitus) und unsere Sagen und Märchen. In den deutschen Volkssagen etwa begegnen wir häufig Zwergen, Geistern, aber auch ursprünglichen Göttern (z. B. Frau Harke, der Wilde Jäger usw.) und erfahren etwas über die heiligen Plätze, wo die Götter verehrt wurden. Auch die Märchen, wie sie u. a. von den Brüdern Grimm gesammelt und veröffentlicht wurden, enthalten oft noch Erinnerungen an die alten Göttererzählungen. Zu diesen schriftlichen Quellen kommen nun noch die Altertums- und die Volkskunde sowie andere Fachgebiete hinzu, die über den vorchristlichen Glauben Auskunft geben. In jahrelanger Arbeit hat der Allsherjargode Géza Árpád von Nahodyl Neményi daraus die ursprüngliche Bedeutung der heidnischen Bräuche und den Glauben unserer Vorfahren herausgearbeitet. Es handelt sich dabei also nicht um eine neugeschaffene Lehre, sondern um die Wiederentdeckung eines altbewährten Glaubenssystems, welches von unseren Vorfahren tatsächlich gelebt wurde und sich in Teilen bis in unsere Zeit erhalten hat.


Die Götter

Nach unserem heidnischen Glauben gibt es im Himmel nicht nur einen Gott, sondern mehrere Götter und Göttinnen. Diese Götter sind erhabene Wesen höherer Welten, die das gesamte Weltall, aber auch die Erde und alle Lebewesen erschaffen haben. Der höchste Gott ist Wodan (im Norden Óðinn genannt); er ist Himmelsgott, Schöpfergott, Gott der Weisheit, aber auch Gott des Todes und des Lebensodems. Viele Menschen kennen den Namen dieses Gottes z. B. noch aus den Werken Richard Wagners, auf dem Lande aber wurde Wodan noch vor einigen Jahrzehnten zum Erntedankfest angerufen. Der englische Name des 3. Wochentages, "Wednesday" geht auf Wodan zurück, auch in einigen Gegenden in Hessen heißt der Mittwoch noch "Wodanstag". Weitere Namen von Göttern sind in den anderen Wochentagsnamen erhalten. So heißt der Dienstag (ursprünglich Tiustag) nach dem Gott des Mutes, der Bewegung und der Volksversammlung, Tius (nordisch Týr), der Donnerstag ist nach dem Kraft- und Wettergott Donar (Þórr) benannt, der Freitag nach der Göttin der Liebe, Frova (Freyja), der Sonnabend als "Frau-Holle-Abend" nach der Göttin der Ehe und Familie, Frick oder Fria (Frigg), die die höchste Göttin und Wodans Gemahlin ist. Wodan und Frick sind die Stammeltern der Göttersippe der Asen. Nach diesem Göttergeschlecht wird unsere Religion zuweilen auch mit einer isländischen Bezeichnung "Ásatrú" genannt, das bedeutet "Glaube an die Asengötter". Neben Wodan und Frick gibt es noch 12 Götter und 12 Göttinnen.

 

Götterbilder in einem privaten Heiligtum.

 

Die Vorstellungen über die Bedeutung und das Aussehen der Götter sind uns seit uralten Zeiten überliefert. So wurden bei Ausgrabungen z. B. in Eutin, Neubrandenburg oder Oberdorla hölzerne Götterbildnisse gefunden, und in alten Schriften werden Götter und ihre Aufgabenbereiche beschrieben. Hellseherisch veranlagte Menschen haben darüberhinaus zu allen Zeiten die Götter auch direkt wahrnehmen können. Die Götter wirken mit ihren Kräften auch in den Erscheinungen der Welt, wie den Bäumen und Gewächsen, den Tieren und Menschen. Die Sterndeutung als uralte heidnische Götterkunde versucht, die Anteile und Wirkungen einzelner Götter im Menschen zu erkennen, um davon bestimmte Handlungsweisen abzuleiten. Jedem Tierkreiszeichen entsprechen zwei Gottheiten, ein Gott und eine Göttin. Noch heute tragen die Wandelsterne die Namen römischer Gottheiten, z. B. Mercur, Venus, Mars oder Jupiter. Daß die Himmelsbeobachtung schon seit der Bronzezeit von unseren Vorfahren durchgeführt wurde, beweist die kürzlich entdeckte Himmelsscheibe von Nebra.

Neben den Göttern gibt es bei uns den Glauben an Geistwesen. Dazu gehören z. B. unsere verstorbenen Ahnen, ferner die Geister in Wald und Flur, aber auch Schutzgeister, die uns in unserem Leben beistehen. Götter wie Geister sind für gewöhnliche Menschen unsichtbar, da sie nicht an den Stoff gebunden sind. Es gibt aber Möglichkeiten, mit ihnen in Verbindung zu treten.
 

Die Natur

Von uns Heiden wird die sichtbare Welt aller Lebewesen als Schöpfung der Götter angesehen, in den Erscheinungen dieser Welt erkennen wir das Wirken bestimmter Götterkräfte; so gilt uns z. B. ein Gewitter als Äußerung des Donnergottes Donar, im Sturmwind spüren wir den Gott Wodan, der mit den Seelen der Verstorbenen umzieht, und auch die Sonne als Gestirn ist einer Göttin zugeordnet, nämlich der Siegesgöttin Sunna (Sól). Die Götter können sich also durch die sichtbaren Erscheinungen der Natur äußern, ohne daß die jeweilige Erscheinung selbst deswegen eine Gottheit wäre.

Außerdem wirken in der Natur Geister wie Elfen und Zwerge, die in zahlreichen Volkssagen erwähnt werden. Aus diesem Grunde ist uns Heiden die Natur heilig, wir lehnen jede Umweltzerstörung und unnötige Eingriffe der Menschen in das Gefüge der Natur ab. Heidentum ist nicht umsonst zuerst eine Naturreligion.

Weil viele heutige Menschen die heidnische Achtung für die Umwelt verloren haben, wird sie rücksichtslos zerstört, vergiftet und ausgebeutet. Ein Baum wird nicht mehr als ein Lebewesen angesehen, sondern nach seinem vermeintlichen Nutzwert eingestuft, die Tiere werden nicht gemäß ihren Bedürfnissen gehalten und u. a. in Tierversuchen gequält. Viele Tier- und Pflanzenarten sind heute ausgestorben. Das Töten von Tieren, es sei denn aus Hunger, das übermäßige Fällen von Bäumen oder das Verschmutzen des Wassers stellten unsere Vorfahren schon damals unter schwere Strafe.

Wir Heiden versuchen, wieder in Einklang mit der Natur zu gelangen und nicht zu ihren Lasten zu leben. Der Mensch darf nicht außerhalb oder über der Natur stehen, er muß sich wieder als ein Teil von ihr begreifen. Wir versuchen, durch ein entsprechendes Handeln das Überleben der ganzen Erde zu sichern und uns selbst aus der Schuld und Verantwortung der Umweltzerstörer herauszubringen.
 

Eine alte Buche, der traditionelle Baum für Runenritzungen.

 

Die Menschen

Nach dem Mythos fanden die drei Götter Óðinn (Wodan), Hœnir und Loðurr einst am Meeresstrande zwei Bäume, eine Esche und eine Ranke. Sie schufen daraus das erste Menschenpaar, Askr (Esche) und Embla (Ampel, Ranke), indem sie ihnen Atem, Geist (Seele), Lebenswärme (einen inneren Götterfunken) und göttliche Gestalt gaben. Eine Aufgabe in unserem Leben besteht nun darin, diesen Götterfunken durch einen ethischen Lebenswandel zu erhellen.

Wir Menschen sind ein Teil der Natur, wir dürfen uns aber nicht über sie stellen, nur weil wir mehr Verstand haben als die Tiere. Denn uns ist im Gegensatz zu den Tieren die "innere Ahnung", die diese besitzen, zum größten Teil verlorengegangen.

Da wir alle über Leib (Erde) und Geist (Himmel) verfügen, unterliegen wir beiden Kräften, der Irdischen wie der Himmlischen. Im gleichen Maße, wie wir uns mit geistigen Dingen befassen, dürfen wir uns auch an den irdisch-stofflichen Dingen dieser Welt erfreuen. Eine "Erbsünde" gibt es nicht; der Mensch wird von den Göttern so anerkannt, wie er von ihnen geschaffen wurde. Nur ein falsches und böses Handeln kann uns von den Göttern trennen. Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo andere Lebewesen in ihrer Entwicklung beeinträchtigt werden. Durch den heidnischen Glauben wissen wir also genau, welchen Sinn unserer Dasein hat und wie wir uns in unserem Leben verhalten sollten, um diesem Sinn zu entsprechen.



Weltschöpfung

In den heidnischen Göttersagen ist auch genau beschrieben, in welcher Weise die Götter die Welt erschaffen haben und wie sie eingerichtet ist. Danach gab es zuerst die beiden Urwelten Niflheimr (Nebelheim) und Muspillsheimr. Die Nebelwelt Niflheimr ist kalt und feucht und von Geistern bewohnt, die als Nibelungen dem gleichnamigen Nibelungenlied ihren Namen gaben. Muspillsheimr dagegen ist eine luftige Feuerwelt. Zwischen diesen beiden Welten entstand der Urriese Ymir als Bild des Stoffes, aus dem die Götter das gesamte Weltall und die verschiedenen mythischen Welten schufen.

Zusammengehalten werden alle Welten durch den gewaltigen, himmelhohen Weltbaum, die Weltesche. Sie ist das mythische Vorbild sowohl der Mai- als auch der Weihnachtsbäume und bedeutet die alles durchdringende Wachstums- und Lebenskraft. Unter ihren drei Wurzeln befindet sich jeweils ein Brunnen, der Brunnen der Weisheit, der Brunnen des Schicksals und der Brunnen der Urschöpfung.

Unter der Weltesche versammeln sich die Götter täglich, um ihre Ratsversammlung abzuhalten. Danach reiten sie wieder zurück in ihre zwölf Himmelsburgen in Ásgarðr, dem "Garten der Asen".

Es sind auch Berichte vom Untergang der Welt und vom Entstehen einer neuen Welt erhalten. Der Weltuntergang wird durch ein Göttergericht (Ragnarökr) zur Bestrafung der bösen Wesen eingeleitet, und er bezieht sich auch auf den Jahreskreis, wo der Winter diesen Untergang herbeiführt, wo aber ein neuer Frühling auch eine neue Welt entstehen läßt.

 

Jenseitsvorstellungen

Was geschieht mit uns, wenn wir gestorben sind? Nach heidnischem Glauben gelangt die Seele in jenseitige Bereiche, von denen Walhall (Valholl), die "Halle der Auserwählten" am bekanntesten ist. Es ist eine Welt der Freude, in die nur gute und rechtschaffene Menschen gelangen. Das allgemeine Totenreich aber ist das Reich der Hel oder Hölle. Dort gibt es keinen Teufel, sondern hier herrscht die Totenriesin Hel; sie hängt mit unserer "Frau Holle" der Sagen und Märchen zusammen, die jedem nach seinen Verdiensten einen entsprechenden Aufenthaltsort zuweist. Frau Holle ist die "verhüllende" Erdgöttin selbst, zu der alle Seelen gelangen, von der sie aber auch in ein neues Erdenleben wiedergeboren werden (Wiedergeburtsglaube). Sie ist zugleich auch Himmelsgöttin und Götterkönigin. Durch eine Reihe von Wiedergeburten entwickeln wir uns stetig weiter. Ist die Entwicklung abgeschlossen, gehen die einzelnen Seelen in höhere Bereiche ein. Im Märchen "Frau Holle", ist der Gedanke von Tod und Wiedergeburt gut dargestellt. Die Goldmarie erreicht durch einen Brunnen als Sinnbild des Todes das Totenreich der Frau Holle. Später kehrt sie goldübergossen auf die Erde zurück (Wiedergeburt). Die Pechmarie geht auch zur Frau Holle, aber sie ist faul und böse und wird bei ihrer Rückkehr auf die Erde vom Pech als Sinnbild eines schlechten Schicksals übergossen; sie wird nun in ihrer Wiedergeburt nur Pech haben und so für ihre Fehler büßen. Noch heute erinnert auch der Begriff "Enkelkinder" an den alten Wiedergeburtsglauben, denn "Enkel" bedeutet "kleiner Ahne" ("Ahn-kel"), in den Enkelkindern verkörpern sich verstorbene Ahnen wieder.


Jahresfeste

Ähnlich, wie die Erde sich im Verlaufe eines Jahres wandelt, wenn sie im Winter ruht, um im Frühjahr wieder zu ergrünen, so unterliegen auch wir Menschen diesem natürlichen Kreislauf und versuchen, uns dessen bewußt zu werden und die Kräfte der jeweils herrschenden Gottheiten aufzunehmen. Die Verbindung zu den Göttern und Göttinnen stellen wir in den "Blóts" (Opferfeste) her, den acht ursprünglich heidnischen Jahreskreisfesten, die heute meist nur noch bekannt sind, weil auch das Christentum sie - allerdings mit veränderten Inhalten - übernommen hat. Es sind das Julblót (Weihnachten), Fröblót (Fasnacht, Karneval), Várblót (Ostern), Sigrblót (Maifest, Pfingsten), Miðsomarblót (Mittsommer), Hörmeitiðblót (Leinernte, Erntebeginn), Haustblót (Erntedank) und Vetrnóttablót (Winteranfang, Allerheiligen), die nach uralter Überlieferung an den Stellen, die schon bei unseren Vorfahren als heilige Plätze galten, gefeiert werden. Da wir die Erscheinungen der Natur (Wachstum, Wind, Regen usw.) auch als Auswirkungen von Götterkräften ansehen, können wir in den verschiedenen Jahreszeiten die Wirkungen unterschiedlicher Götter und Göttinnen wahrnehmen. In der Edda sind Göttersagen für den gesamten Jahreskreis enthalten. In den Blóts rufen die Goden (Priester) die entsprechenden Gottheiten an, die angebetet und verehrt werden, wir spenden ihnen Blumen, Speisen und Getränke und bitten sie um Hilfe und Beistand in unseren Angelegenheiten. Mithilfe der heiligen Runen (Zauberzeichen) erhalten die Goden von den Göttern auch Antworten auf unsere Fragen. Die Götter sprechen also zu uns und lassen uns bei unsern Schwierigkeiten nicht allein.

 

Im Hauptheiligtum.

 
Lebensfeste

Neben den gemeinschaftlichen Feiern des Jahres feiern wir auch die Feste des Lebenskreises. Diese beginnen bei der Geburt eines Kindes, welches nach altheidnischem Brauch mit Wasser auf eine bestimmte Schutzgottheit geweiht wird. Dieser Brauch wurde vom Christentum als Taufe übernommen. Weiters wird der jedes Jahr wiederkehrende Geburtstag des Einzelnen im Kreise der Freunde und der Verwandten von uns Heiden gefeiert. Hier stehen besonders die jeweilige Schutzgottheit sowie die drei Schicksalsfrauen, die Nornen, im Vordergrund, denen für das abgelaufene Jahr gedankt und deren Beistand auch für das beginnende Jahr erbeten wird. Die Vorstellung von den Schicksalsfrauen hat sich noch in den Märchen "Die drei Spinnerinnen" sowie "Dornröschen" erhalten, wobei in "Dornröschen" bereits 13 Schicksalsfrauen unter dem Namen "Feen" (lateinisch "fatum" = Schicksal) erwähnt werden.

Der Beginn der Lehrzeit des Jugendlichen sowie der Abschluß der glaubensmäßigen Unterrichtung und die Aufnahme in die Gemeinschaft der Erwachsenen wird in einer Weihehandlung gefeiert. Dieses Fest kennen viele Menschen unter den Bezeichnungen Jugendweihe oder Einsegnung, die heidnische Einweihung unterscheidet sich aber in ihrem Ablauf und Sinn von den heutigen Jugendweihefeiern. In früheren Jahrhunderten wurde hier auch die Aufnahme in einen Kriegerverband gefeiert.

Weitere Lebensfeiern sind die Verlobung und die Hochzeit, die wir Heiden meist in den uralten Heiligtümern feierlich begehen. Der Hochzeitsfeier folgt auf dem Lande meist noch der festliche Einzug der Braut in das neue Heim, die Hausübernahme, die den Bräuchen einer Wohnungs- oder Hausweihe ähnelt.

Schließlich endet die Reihe der Lebensfeiern mit dem Fest der Bestattung eines Verstorbenen.


Das Thing

Das Thing (Þingi) ist zugleich Rats- und Festversammlung, die es heute noch in den unter freiem Himmel abgehaltenen Volksversammlungen einiger Schweizer Kantone gibt. Alte Orts- und Flurnamen (z. B. Gauting, Göttingen) deuten auch bei uns auf derartige Versammlungsplätze hin, und noch vor etwa 100 Jahren gab es in den Dörfern um Berlin den "Dingetag", wo die Gemeindevertreter zusammenkamen, ähnlich den heutigen Gemeindeversammlungen. In früheren Zeiten hatte jedes Dorf sein Dorfthing, auf dem die Angelegenheiten der Dorfgemeinde besprochen wurden, z. B. die Zuteilung der zu bewirtschaftenden Felder. Zweimal im Jahr kamen die Landesgemeinden zusammen und hielten das Frühjahrsthing (Várþing) und das Herbstthing (Leiðarþing). Hier wurden auch Rechtsverfahren geführt und Urteile gesprochen. Der ganze Stamm schließlich versammelte sich auf dem zu Mittsommer stattfindenden Allthing (Alþingi); hier wurden die Gesetze des Stammes festgelegt oder geändert. Noch heute heißt das isländische Parlament - das älteste noch bestehende Parlament der Welt - "Alþing", allerdings besteht es heute nur noch aus gewählten Vertretern, während in heidnischer Zeit die Bürger an allen Thingversammlungen selbst mit vollem Stimmrecht teilnahmen. Das Thingwesen unserer heidnischen Vorfahren geht also weit über die heutigen Stellvertreterdemokratien hinaus, und es ist nicht verwunderlich, daß die "Demokratie" aus dem Heidentum stammt, denn die Ratsversammlung der Götter im Himmel diente den Menschen als Vorbild, ähnliche Einrichtungen auf der Erde zu schaffen.

 

Heiligtümer

Die Feste und die Thingversammlungen werden mit offizieller Genehmigung in den alten Heiligtümern in der freien Natur veranstaltet, dort, wo auch schon unsere Vorfahren den Göttern näherkamen. Noch heute gibt es in allen Gegenden derartige heilige Plätze, Kultstätten und Opfersteine, die von uns Heiden verwendet werden. Eines der bekanntesten heidnischedn Heiligtümer sind die Externsteine bei Detmold, eine Felsformation, die ein Hauptheiligtum mehrerer Stämme gewesen ist. Im Berliner Raum liegt der schon vor 2000 Jahren erwähnte heilige Hain des Stammes der Semnonen und im Harz der berühmte "Blocksberg", der Brocken. Auch andernorts gibt es als Hexentanzplätze bekannte "Blocksberge" (ursprünglich: Blótsberge, "Opferberge"), die ihren Namen daher haben, daß dort die Jahresfeste, die "Blóts" gefeiert wurden.

Manche derartige Stätte ist noch an ihrem Namen als heidnisches Heiligtum erkenntlich, z. B. der Name der Stadt "Berchtesgaden" bedeutet "Perchtas Garten" (Perchta ist ein Name der Erdgöttin); der Godesberg bei Bonn hieß einst Wodansberg. Der Ort Warstein ist nach der Göttin War (Vár) und Belzig nach dem Gott Bel (Baldr) benannt, Helle- oder Holleberge deuten auf Frau Holle hin, die Insel Helgoland ("heiliges Land") hieß früher nach dem Rechtsgott "Fosites heiliges Land" usw.

Häufig findet man in der Landschaft auch noch die alten Opfersteine, die zuweilen Schälchen aufweisen, in denen Gaben niedergelegt wurden. Aber es gibt auch heilige Seen, Moore, Steinkreise, Gräber oder Burgwälle, die als heilige Stätten genutzt wurden.

 

Ein Stallr (Opfertisch) im Heiligtum.


Goden und Gydjas

Im traditionellen Heidentum, wie wir es praktizieren, gibt es Frauen und Männer, die als Goden (Góðar) und Gydjas (Gyðjar), also Priester und Priesterinnen, eingesetzt sind und die Aufgabe haben, die Jahresfeste und das Thing zu leiten sowie den heidnischen Glauben zu vermitteln. In Gegenden, wo es noch keine Goden und Gydjas gibt, leiten die einzelnen Heiden ihre Feste selbst. Die Ausbildung für Goden und Gydjas beträgt drei Jahre; wird sie bestanden, dann weiht der oberste Priester aller Heiden, der Allsherjargode, den Anwärter feierlich zum Goden bzw. zur Gydja. Zuletzt wird der neugeweihte Gode bzw. die Gydja im Thing in einer Abstimmung von den Heiden bestätigt. Von den Goden wird die Einhaltung eines bestimmten Lebenswandels verlangt, was einzuhalten nicht leicht ist. Wer diesen Weg gehen will, dem muß es ein ernsthafter Lebensweg sein. Die Heiden in den Gemeinden, die von einem Goden oder einer Gydja geleitet werden, können sich auf dem Thing dem Goden bzw. der Gydja fest anschließen und bilden so eine Gefolgschaft oder Thinggemeinde, einen inneren Kreis von Heiden. Dies ist aber erst nach einer dreijährigen Mitgliedschaft möglich. In diesen Gefolgschaften werden auch die heidnischen Überlieferungen, die sich mit Zauber befassen und nicht an Außenstehende vermittelt werden dürfen, gepflegt. Es sind zahlreiche derartige Überlieferungen vorhanden, die ursprünglich von den später als "Hexen" verrufenen weisen Frauen (Völur) und Zauberern stammen. Die Goden und Gydjas bilden zusammen den Godenrat, der vom Allsherjargoden geleitet wird und der für alle Fragen zum heidnischen Glauben zuständig ist. Eine ausführliche Seite zu diesem Thema ist unter www.allsherjargode.de zu finden.

 

Auch im Winter werden die Jahresfeste gefeiert.

 

Das Altheidentum umfaßt das gesamte menschliche Leben und Dasein, es ist keine Religion, die man nur am Sonntag oder einem Festtag ausübt.  Richtigverstandenes Altheidentum verlangt vom Einzelnen ein Umdenken und Umkehren zu einem anderen Leben, als es allgemein heute üblich ist. Altheidentum bedeutet deswegen aber kein Verkleiden oder ewiggestriges Handeln. Vielleicht hilft hier ein Vergleich mit dem uns nahverwandten Hinduismus: Auch im modernen Indien werden Gottheiten in Tempeln und Heiligtümern verehrt, ohne deswegen als besonders rückständig oder fortschrittsfeindlich zu gelten. Wichtig sind die heidnischen Werte, die man auch in einer modernen Gesellschaft vertreten und einhalten kann. Dafür steht das Altheidentum und die Germanische Glaubens-Gemeinschaft.

 

 

 

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